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Investition in die Bildung

 

Vor genau 50 Jahren stand das Jauner Schulhaus wie wir es heute kennen im Rohbau. Zum halben Jahrhundert wollte ich mehr über den Bau wissen und bat Gabriel Schuwey um ein Interview. Er war damals frischgewählter Gemeinderat und für den Schulhausbau verantwortlich. Schnell war mir klar, dass sein Wissen ein ganzes Buch füllt. Nach seinen umfangreichen und detailgetreuen Erzählungen überreichte er mir seine 20-seitigen, schriftlichen Aufzeichnungen. Ich liess ein Aufnahmegerät laufen, um später nachhören zu können, das Programm dazu war mit der Datenmenge schlichtweg überlastet.

 

Schon während des Gespräches mit Gabriel hörte ich ein paar Kuriositäten aus einem anderen Jahrhundert, die ich unten festgehalten habe.

 

Aus den schriftlichen Dokumenten habe ich die wichtigsten Daten zusammengetragen und fragte bei Werner Schuwey nach Bildern.

 

 

 

Zeitstrahl des Schulhausbau Jaun:

 

  • 22.12.1959 Gemeindeversammlung, Antrag Neubau Schulhaus wird haushoch verworfen
  • 07.06.1960 Negativer Bericht vom Baudepartement über das aktuelle Schulhaus, eine Renovation sei nicht in Betracht zu ziehen
  • 12.06.1970 Gemeindeversammlung, Kreditbegehren zur Vorprojektierung wird angenommen
  • 06.11.1970 Treffen mit dem Staatsrat, keine Beschlussfassung
  • 17.11.1970 Antwort Staatsrat, erst müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein, bevor weiterverhandelt wird
  • 20.11.1970 Ausserordentliche Gemeindeversammlung, Abstimmung unter Vorbehalt für Kostenveranschlag von 24'000 für Vorprojektierung angenommen
  • 21.12.1970 Verhandlung mit dem Staatsrat, keine finanzielle Zusicherung erhalten
  • 10.01.1971 Erste Einsicht vom Gemeinderat G.Sch. in die Pläne vom Architekten Hans Bachmann
  • 13.01.1971 Nationalrat Hayoz und Finanzdirektor Weber erwirken den Staatsbetrag von 1 Million Franken für den Schulhausbau
  • 24.02.1971 Ausserordentliche Gemeindeversammlung, Finanzierung wird angenommen
  • 12. 04.1971 Beginn Abbruch des alten Schulhauses
  • 20. 05.1971 Baubeginn
  • Herbst 1972 Aufnahme Schulbetrieb
  • 12.05.1973 Einweihungsfeier
  • 31.12.1974 Schlussabrechnung Schulhausbau, Nettokosten Gemeinde: 1'019'658.-

Bilder ab Dias von Werner Schuwey

 

 

Für das Interview mit Gabriel habe ich 4 Fragen vorbereitet, drei davon auch gestellt und das Gespräch dauerte zweieinhalb Stunden. Unmöglich alles in einem Blogartikel widerzugeben. Gerade dieser Umfang ergab einen ausserordentlichen Einblick in eine vergangene Zeitepoche.

 

Bei der Gemeindeversammlung 1959 an der das Bauvorhaben abgelehnt wurde, gab es die Argumentation: "den Kindern nur nicht zu viel beibringen, Wissen fördert nur die Abwanderung aus unserem Tal".

 

Im Bericht des Baudepartements von 1960 wird beschrieben, dass das alte Schulhaus brandgefährdet, staubig, zu niedrig, schlecht beheizt, die sanitären Anlagen unhygienisch und zum Teil im Freien seien. Der Abstand zwischen der Wandtafel bis zu den hintersten Schulbänken sei mit 16m unzulässig. So viel zu den damaligen Verhältnissen.

 

An der Gemeindeversammlung 1971 wurde statt der Finanzierung des Schulhauses, der Ferienplan der Schulkinder kritisiert. Dieser wurde unterdessen an die gültige Regelung angepasst und die Sommerferien damit verkürzt. Die Dorfbewohner drohten, die Bauernbetriebe zu verlieren weil die Kinder nicht mehr mitarbeiten konnten. Folgedessen müssten die Familien in die Stadt ziehen und ein Schulhausbau sei für die Katz. Ein anderer Jauner hielt dagegen, dass Kinderarbeit seines Wissens verboten sei, was für die Jauner wohl nicht gelte. So fielen wohl manche giftigen Bemerkungen.

 

Die Finanzierung des Neubaus der 2 Millionen kosten sollte war sehr umstritten. Gabriel erzählt, er hätte manche schlaflose Nacht gehabt und viel Unmut der Jauner erfahren. Geholfen haben gute persönliche Beziehungen im grösseren Umfeld. Die Finanzierung kam nur dank dem Jaun gutgesonnen Staatsrat Hayoz zu Stande, was wiederum Unverständnis im restlichen Bezirk auslöste.

 

Das Schulhaus wurde schlussendlich beinahe in Windeseile gebaut und das Budget wurde vorbildlich eingehalten. Finanzielle Unterstützung kam auch aus anderen Landesteilen und die Patenschaft Berggemeinden trat so erstmals in Jaun in Erscheinung. Selbstverständlich trugen auch die Jauner ihren Beitrag dazu.

 

In der Festrede zur Einweihungsfeier, die mir ebenfalls schriftlich vorliegt, kommt der Wille hier zu überleben und den Kindern eine gute Ausbildung zu ermöglichen ebenso zur Sprache, wie der Dank Gottes für das Gelingen des Schulhausbau. Gabriel meint demütig, er hätte dem Staatsrat manchen Kummer bereitet mit seinem voreiligen Tun und forderndem Auftreten. Im Nachhinein sieht er viele entscheidende Wegpunkte, die die heutige Situation beeinflusst hat.

 

Seither sei das Betreten des Schulhaussaales jedes Mal eine gewisse Genugtuung. Viele Jauner haben mit guter Bildung das Schulhaus verlassen und mancher kulturelle Anlass im Saal stattgefunden. Die Investition in eine zeitgemässe, Jauner Bildungsstätte sei für ihn essenziel gewesen und hätten sich gelohnt.

 

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Kommentare: 7
  • #1

    Juan Diego Ceres (Freitag, 16 Juli 2021 14:49)

    One more excellent reportage. Gracias Señora Remy.

  • #2

    Jungo Herbert (Freitag, 16 Juli 2021 14:59)

    Super Bericht, wie doch die Zeit fliegt! Gratuliere

  • #3

    Marlies (Freitag, 16 Juli 2021 15:33)

    Danke für die Blumen. Respekt und Dank an die initiativen Jauner damals!

  • #4

    Schuwey Henri (Freitag, 16 Juli 2021 15:34)

    Ich war beim Dachstock aufrichten dabei und durfte auf der First das geschmückte Tännchen anbringen. Heute unvorstellbar auf dieser Höhe ohne Gerüst. Danke Marlies für diesen Bericht.

  • #5

    Martin (Freitag, 16 Juli 2021 19:59)

    Danke Marlies für den interessa ten informativen Bericht.Viele Errinnerungen sind bei mir noch present.Du hast bei Gabriel eine gute Wissensquelle angezapft.

  • #6

    Schuwey Gabriel (Montag, 19 Juli 2021 17:43)

    Hallo Marlies
    dein Interesse für das Schulhaus, dessen Bau vor 50 Jahren begonnen hat, freut mich. Ich bringe eine Korrektur an . "Die Finanzierung kam nur dank dem Jaun gut gesinnten Staatsrat Hayoz zu Stande". Hayoz Franz war nicht Staatsrat, sondern Advokat und Nationalrat. Den Jaunern gut gesinnt war Max Aebischer, Staatsrat, Erziehungsdirektor.
    Seine Mutter war eine Cottier von Im Fang: "z'Bannwarts Isabella.
    Dann: Unverständnis im Bezirk löste der Bau der Turnhalle. Eine so kleine Gemeinde leistet sich eine Turnhalle! Hans Bachmann war der einzige von den vier teil-nehmenden Architekten der noch ein Platz gefunden hat für einen Vereinssaal. Er uns seither soviel gute Dienste erwiesen. Alles übrige sehr gut festgehalten. Besten Dank.
    Liebe Grüsse Gabriel

  • #7

    Marlies (Donnerstag, 22 Juli 2021 23:09)

    Vielen Dank für deine Korrekturen, Gabriel! Ich wollte die vier Herren auf dem Bild der Einweihungsfeier noch namsen, war mir aber eben nicht mehr sicher, wer wer war. Bei der Menge an Informationen sind Fehler beinahe vorprogrammiert und ich bin froh, über deine Richtigstellungen. Danke für deine Bereitschaft Auskunft zu geben.

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