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Leidenschaft für den cremigen Freiburger

FN Artikel vom 01.09.2025

 

Der Vacherin Fribourgeois AOP ist ein Halbhartkäse, der ausschliesslich im Kanton Freiburg hergestellt wird. Martin Rauber stellt ihn auf der Alp aus Rohmilch über dem offenen Feuer her. Fahrettin Calislar

von Monika Neidhar, Fahrettin Calislar

 


Es ist still auf der Alp Grossen Tossen oberhalb von Im Fang auf gut 1300 Metern über Meer. Doch die Ruhe in der Alphütte von Martin und Ruth Rauber täuscht. Die 28 Milchkühe, die ihnen von Bauern vor allem aus Jaun und dem Sensebezirk für die viermonatige Sömmerung anvertraut sind, stehen bereits im Stall.

Der knapp 60-jährige Martin Rauber beginnt sein Tagwerk früh: «Meine erste Arbeit am Morgen gehört dem Vacherin Fribourgeois AOP – ich lege die drei Laibe, die wir am Vortag produziert haben, in das Salzbad», erklärt er. «Dann zünde ich das Holzfeuer unter dem Wassertopf an, damit wir später kochend heisses Wasser zum Reinigen haben.»

 

Seit rund 100 Jahren pachtet die Familie Rauber die Alp Grossen Tossen oberhalb von Im Fang auf einer Höhe von 1300 Metern. Quelle: Monika Neidhart
Seit rund 100 Jahren pachtet die Familie Rauber die Alp Grossen Tossen oberhalb von Im Fang auf einer Höhe von 1300 Metern. Quelle: Monika Neidhart

Sauberkeit und Hygiene sind für das Gelingen des Alpkäses zentral. Die Milch wird später maximal auf 35 Grad erwärmt. Störende Mikroorganismen würden in der Rohmilch nicht abgetötet. So achtet der Bauer bereits beim Melken auf Sauberkeit bei sich und an den Eutern. Die Milch wird in einen riesigen Kupferkessel gepumpt. Ruth bereitet derweil alles fürs Käsen vor und reinigt, was in Kontakt mit der Milch kommen wird.

 

Penible Sauberkeit nötig

Um halb sieben Uhr sind die Kühe gemolken, die Milchleitungen gereinigt. Die rund 200 Liter Milch im Kessel haben eine Temperatur von rund 27 Grad. Über einem offenen Holzfeuer, wie es das Pflichtenheft des AOP vorschreibt, erwärmt Martin nun die Milch auf 31 Grad. Dann schwenkt er das Kessi weg von der Feuerstelle und rührt Milchsäurebakterien sowie Lab ein. Nun heisst es, eine halbe Stunde warten.

«Der Riss, den es gibt, wenn ich die Schaufel in die gestockte Milch tauche und herausnehme, muss ein länglicher sein – sonst braucht es noch etwas Geduld», sagt Martin Rauber. Mit der Harfe schneidet er die Masse.

Nun muss diese Masse auf 35 Grad erwärmt werden. Martin schiebt ein Scheit Fichtenholz nach. Der Käser giesst einen Kübel Wasser in die gedickte Milch: «Im Käserkurs haben sie uns gesagt, dass der Vorgang Bakterien reduziert – die Welschen nennen es ‹delactoser›», erklärt er die ungewohnte Handlung.

 

Nun ist Muskelkraft gefragt

Fünf Minuten später nimmt Martin den Kupferkessel endgültig von der Feuerstelle. Er greift einige Käsekörner heraus und prüft die Grösse, dann isst er ein paar: «Wenn sie quietschen, ist es höchste Zeit.»

 

Mit der Harfe schneidet Martin Rauber die geronnene Milch in möglichst gleichmässige Stücke. Quelle: Monika Neidhart
Mit der Harfe schneidet Martin Rauber die geronnene Milch in möglichst gleichmässige Stücke. Quelle: Monika Neidhart

Mit dem Käsetuch nimmt das Ehepaar den Käsebruch heraus und gibt ihn in eine Box, damit die Molke abtropfen kann. Schliesslich füllt er die Masse in Formen von 35 Zentimeter Durchmesser ab. Später wird er den Käse ein-, zweimal wenden, mit der AOP-Marke, seiner Produktionsnummer und dem Datum kennzeichnen und nach 24 Stunden ins Salzbad legen. Affiniert und gelagert werden Raubers Alpkäselaibe, wie diejenigen von den weiteren 41 Alpkäsereien, im Keller Caves de la Tzintre bei Charmey.

 

Punktvergabe prägt den Lohn

Welchen Lohn Raubers für ihren Käse erhalten, hängt davon ab, wie ihre Laibe von der Sortenorganisation punktiert wird. Die Maximalpunktzahl von 20 wird mit 13.50 Franken pro Kilogramm honoriert, Käse unter 18 Punkte erhalten hingegen nur noch 8.50 Franken. Seit drei Jahren hat Martin Rauber immer mindestens 19,5 Punkte erhalten.

Er hat ein Kontingent von einer Tonne pro Alpsaison. Die restliche Milch bringt er zur Crèmo. «Gerne würde ich mehr käsen – auch Greyerzer», erklärt er, «doch der Branchenverband vergibt nicht mehr Kontingent, als er auch Käse am Markt absetzen kann.»

 

Im Keller Caves de la Tzintre in Charmey reifen viele Tonnen Vacherin-Alpkäse. Quelle: Fahrettin Calislar
Im Keller Caves de la Tzintre in Charmey reifen viele Tonnen Vacherin-Alpkäse. Quelle: Fahrettin Calislar

Dass er das Käsen aus Leidenschaft macht und damit auch die langen Tage in Kauf nimmt, ist Martin Rauber anzusehen. «Bereits mein Grossvater hat hier gekäst. Ich knüpfe an diese Tradition an», sagt er. Ihn fasziniert auch, dass er aus der eigenen Milch etwas zum Essen herstellen kann: «Milch uf äm Platz verwärche», sagt der Jauner.

Die heilige Zweifaltigkeit des Freiburger Käses: Gruyère und Vacherin Fribourgeois AOC. Quelle: Fahrettin Calislar
Die heilige Zweifaltigkeit des Freiburger Käses: Gruyère und Vacherin Fribourgeois AOC. Quelle: Fahrettin Calislar

Ein komplexes Aromaspektrum

Der Freiburger Vacherin ist seit über 600 Jahren bekannt. Dass er sich überraschend und kreativ verarbeiten lässt, zeigt Koch Pierre-Pascal Clément. Er führt seit einem Jahr das «Au chasseur», das älteste Restaurant in Freiburg. Seine Küche ist inspiriert von heimischen Zutaten – und von Respekt für die Produkte. Angetan hat es ihm der Alp-Vacherin. «Auch wenn der Käse vielleicht nicht die maximale Punktzahl erhalten hat, mir ist das komplexe Aromaspektrum solcher Käse wichtig», erklärt er.

 

Ein Alpkäse sollte auf keinem Apéroplättli fehlen. Quelle: Fahrettin Calislar
Ein Alpkäse sollte auf keinem Apéroplättli fehlen. Quelle: Fahrettin Calislar

Vacherin Fribourgeois AOP

Der Vacherin Fribourgeois AOP ist ein Halbhartkäse aus Kuhmilch, der auf 42 Alpen und in 69 Käsereien im Kanton Freiburg hergestellt wird. Von den rund 3000 Tonnen werden etwa 15 Prozent exportiert. Seit 1995 sind Produzenten, Hersteller und Affineure im Sortenverband zusammengeschlossen. Der Verband soll die Qualität garantieren und die Marke und den Absatz fördern. Seit 2000 ist der Käse AOP-zertifiziert.

Den Vacherin AOP gibt es in sechs Sorten: Classic, Extra, Rustic, Berg, Bio und Alp. Der cremige Käse ist nach einer Reifung von 9 bis zu 25 Wochen genussfähig. Er wird oft mit dem Greyerzer verglichen. Er ist tatsächlich der kleinere «Bruder»: Der Name Vacherin leitet sich wohl von «Vaccarinus» ab, der einen kleinen Kuhhirten bezeichnete.

 

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Kommentare: 1
  • #1

    David Steed (Montag, 01 September 2025 15:04)

    Sehr gut. Merci

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